Du spürst diese unbeschreibbare Wut
im Bauch, von der du bisher nur vom Hörensagen gehört hattest. Du schüttelst
zwar immer wieder deinen Körper, so als könntest du die Plage noch von dir
weisen, aber du bist eben kein verfickter Neoprenanzug. Du bist auch kein
Roboter oder eine grummelige Katze, die mal eben abhaut wenn ihr alles zuviel
wird und erst dann wieder auftaucht wenn sie hungrig ist. Dein Bauch knurrt
bereits und du bist auch nur jemand, der an der Ampel steht und angestarrt
wird. Die Wut kriecht dir am Kinn hoch, direkt in deine Stirnfalten hinein. Sie
hat keinen Namen, kein Gesicht, sie taucht auf wie ein kleiner Orkan und
kribbelt ein wenig im linken Knie. Neben dir lehnt eine Frau auf einem
schwarzen Fahrrad und verzieht das Gesicht. Was ist los? Denkst du. Du bist auf
Krawall gebürstet. Du denkst, heute ist der Tag, an dem dir Mayonnaise auf der
Nasenspitze hängt und niemand dir davon auch nur ein Sterbenswörtchen berichten
wird. Du denkst, heute wirst du für deine bloße Existenz angemacht.
Entscheidungen werden sich zu Fehlschlägen entwickeln, die dir noch dein ganzes
Leben nachhängen werden. Der wild gewordene Orkan wirbelt dir durchs Haar und lässt
dich – wie ganz aus versehen – eine Haarsträhnen inhalieren, so dass du denkst,
du könntest ersticken. Du hustet kurz. Die Frau starrt dich weiter an. Was zum
Teufel ist los? Du drehst dich etwas weg, nur um dich umso schneller wieder
umzudrehen und diese Erscheinung ebenfalls abfällig zu mustern. Sie sieht weder
alkoholisiert, noch verwahrlost, noch irgendwie besonders aus, außer
vielleicht, dass sie eine übertrieben sportlich wirkende Sonnenbrille -bei fast
bis gar keiner Sonneneinstrahlung- trägt. Sie schaut genauso herablassend wie
du sie kennen gelernt hast und murmelt kaum hörbar und doch deutlich „Ich
glaube nicht, dass DU weißt, was Surrealismus bedeutet“. WAS IST LOS? Du
schnappst hörbar –viel zu laut- nach Luft. Presst deinen neu erstandenen
Surrealism-Dali-Beutel wie ein Schutzschild vor allem Bösen an deinen Körper
und hältst ihn ganz fest. Das Ding hatte 5,99€ gekostet. Dali ist dort -ein
bisschen verfremdet -und mit einem überdimensionalen Phallussymbol als Nase ausgestattet
abgebildet. Jedenfalls hatte dein Prof. dich direkt daraufhin gewiesen. Er
hatte dich deshalb extra wieder in die Bar zurück zitiert. Schon damals
beschlich dich das ungute Gefühl, hier wolle dir jemand deinen Beutel schlecht
machen, aber du hattest dich, nach einem kurzen Moment der Empörung, wieder
besonnen. Jeder Mensch brauch mal einen Jutebeutel, hattest du dir gesagt. Und
noch einen und noch einen. Still und heimlich und nach mehrmaligen herum
schleichen hattest du dich im Reina Sofia dafür entschieden. Du magst ja auch
manche Dali-Werke und Surrealismus ist immerhin kein Fremdwort für dich,
hattest du dir eingeredet. Auch wenn du kurz überlegt hattest lieber den
Picasso oder Frida Kahlo Beutel zu nehmen. Oder alle. Aber dann fandest du die Dali-Darstellung
irgendwie am Lustigsten. Und jetzt blätterte die ganze Fassade! Wildfremde
Menschen beleidigten dich an Ampeln, hielten dich für unkultiviert, dumm und unüberlegt.
Du bist zu einer Salzsäule erstarrt und der Orkan tobt einmal durch deine Eingeweide,
während die Frau um die Fünfzig dir eine dämliche Grimasse hinhält, die
vermutlich so etwas wie „Ätsch“ ausdrücken soll. Vielleicht kommt sie gerade
vom Fasching, hoffst du. Oder es liegt an deiner Spange im Haar und weil du
aussiehst wie zwölf. Dein Auge zuckt nervös, aber du bist unfähig etwas zu
sagen. Du kannst es nicht fassen, aber die Dame im Radio hatte es bereits heute
morgen angekündigt. „Skorpion: Überlegen sie gut ob sie heute vor die Tür gehen
und wenn, machen sie sich auf Einiges gefasst.“ Hatte sie völlig lustlos nach
der Waage getönt und du hattest nur mit den Augen gerollt.
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Post-Exkursions-Traumata haben es in
sich.