Montag, 23. September 2013

sometimes, you just see nothing.












Sommer (Teil 1) 

3 x Marbosch-Love


Mehr aus der (grenzwertig dümmlichen) Serie - Taste the imaginary love!
(ich sagte ja, grenzwertig) 



Aufzugstorys

Ich komme in den schon übervollen Aufzug gerannt und rieche schon von weitem, dass seine Insassen nicht mehr ganz so nüchtern sind. Die Insassen starren mich belustigt an, ich quetsche mich hechelnd zwischen sie. Mein Rücken tut weh, weil ich so was wie einen Schulranzen mit tonnenschweren Büchern mit mir herum trage, mein Bauch tut weh, weil man durch Snickers und Cappucinobrühe noch lange keinen Hunger vertreibt. Das Licht macht einen noch hässlicher und müder als man eh schon ist, der Pony mal wieder strähnig und schlecht geschnitten. Blinzelnd und beschämt schaue ich auf den Boden, so wie man es immer tut wenn man sich hässlich fühlt und im Aufzug steht. Die Besoffskis lallen und stinken, scheinen aber immerhin mehr Spaß im Aufzug zu haben als ich. Der eine, groß mit den rießigen Augen hinter der dicken Brille, starrt mich durchdringlich an. Ich schenke ihm ein müdes Lächeln. „Ey“ lallt er, „ich kenne hier alle...“. Es ist kurz nach neun, dumpf hört man irgendwo noch irgendeine Kirche läuten. Nach einer kurzen aber dramatischen Pause fügrt er grinsend hinzu „außer die!“. Seine Finger zeigen auf mich, die Betrunkskis haben anscheinend meinen strähnigen Pony bemerkt und ein Opfer auserkoren. Die Fahrt scheint heute endlos, meine Beine schmerzen seit genau vier Sekunden. Seit selbiger Zeit lachen die Kerle, erst leise, dann artet es aus. Während die zwei Mädchen es sich noch zu verkneifen versuchen und vermutlich peinlich berührt sind, höre ich sie schon „ein Diss im Fahrstuhl...“ grölen. Grinse in mich hinein. „Fahrstuhl-Mobbing, „Fahrstuhl Mobbing“. Sie singen es im Chor, laut, besoffen, völlig losgelöst und wunderschön. Ein Lachflash zwischen Unter- und Oberstadt. Nach sechs Stunden Bib eine freudige Abwechslung. Prustend vor Lachen steige ich aus dem Fahrstuhl, der mit den großen Augen winkt mir zum Abschied hinterher. 



Wer kann am Längsten? - Nachts am Markplatz

Der Hahn kräht. Zum zehnten Mal nach gefühlten zehn Minuten. Wahrscheinlich ist eher, wir sitzen hier schon länger. Wahrscheinlich ist auch; der Hahn kräht öfter, als nur jede Stunde. Ein bisschen verschwommen sieht es hier aus, zwischen der traumhaften Kulisse mit seinen traumhaften Klangerlebnissen. Wahrscheinlich liegt es nicht nur daran. Vor gefühlten Minuten sagte ich, ich sei so müde, dass ich auf dem Tresen schlafen könnte, jetzt sitze ich hier und warte ab was so passiert. In der Regel ist das nie besonders viel, aber man kann ja nie wissen. Es gibt Zeiten, da sieht es hier ganz anders aus. Sonntags ist es manchmal so voll, dass man sich praktisch durch die ganzen Touri-Massen, Burschis und Schöckelschuhen durchkämpfen muss. Jetzt ist hier niemand, außer ein paar LKWs die angeblich irgendwelche Läden beliefern und angeblich ein bisschen Sperrmüll. Ein traumhaftes Sofa, das ich am Liebsten sofort mitnehmen möchte. Ich bin in einer schwammigen Laune und stelle einfach alles in Frage, weil ich denke, dass ist der richtige Ort dafür. Meine Augen fallen jeden Moment zu, aber ich versuche durchzuhalten. Ein paar Menschen trotten an uns vorbei, jeder von ihnen könnte theoretisch interessant sein und guten Stoff für eine gute Story liefern. Nur sind sie gerade nicht relevant, sondern gehören einfach nur zum Gesamtbild. Dieses fügt sich langsam zusammen. So wie alles. Gigantisch. Würde ich können, würde ich die Szene aufnehmen und auf den Rathausturm projizieren, würde mich jede Nacht mit einem Eis davor setzen und auf den Moment warten in dem der Hahn kräht. Es passiert so oft und trotzdem ist es jedes Mal wieder einzigartig, denke ich, während meine Augen langsam wie ein Vorhang zuklappen. 


Die Waschbären-Familie

Irgendwann morgens, nach vier. Ich bahne mir einen Weg durch die Oberstadt. Vielmehr, ich versuche irgendwie geradeaus zu gehen und möglichst wenig stehen zu bleiben. Es fühlt sich an als würde ich einen Dschungel durchqueren. Die Mühe erscheint mir gleich groß. Auch sonst scheint mir alles potentiell interessanter als sowieso schon. Schade, dass außer mir niemand mehr unterwegs zu sein scheint um dies zu würdigen. Schade, dass ich inzwischen doch schon fast zuhause bin. Gefühlte paar Meter. Ich seufze laut, dann, in einem Zustand des schönsten Diliriums, in dem ich kaum mehr zwischen Straße und Häusern unterscheiden kann, starren mich plötzlich fünf Waschbären an. Sie grinsen frech. Ich grinse frech zurück. Langsam und gemütlich bewegen sie sich von ihrem grünen Versteck, etwas oberhalb von mir auf einer wildbewachsenen Mauer (Urwald!), langsam auf die Straße herunter. Schauen nach links, dann nach rechts und fragen sich vermutlich irgendwas. Zum Beispiel – ich schweife ab. Alles was mein Kopf sagt ist „cool!“. Alles passiert in Zeitlupe und dann kommt da noch „Mach ein Foto man!“. Die Waschbären sind inzwischen gemütlich weiter getigert, getanzt, gerobbt. Ich befürchte niemand wird mir diesen Spaß am nächsten Morgen noch abkaufen. Ich werde Recht behalten. Drei mal Blitz ins Leere, ein mal mit zwei dieser Objekte; leicht verschwommen, völlig überblitzt aber deutlich sind zwei (von fünf!) der Mitglieder aus der Waschbären-Familie von und zu Barfuß zu erkennen. Der eine grinst sogar in die Kamera.