Donnerstag, 15. Juni 2017

Zur allgemeinen (Wohnungs-)Lage:

Nein, ich korrigiere: Plage. 
Die allgemein hingenommen und gleichzeitig allgemein verabscheut wird. Und meine persönliche (höchst dramatische!) Story dazu. 

Ich stehe in einem Kellerloch, das nach Kellerloch riecht und frage, wie es denn so mit Schimmel sei. Kein Problem, bekomme ich als Antwort. So lange man nur alle Möbel einen halben Meter von der Wand abrücken würde. Ich betrachte argwöhnisch den Raum und stelle fest: alle Möbel befinden sich eigentlich in der Mitte des Zimmers. So lange man nur genug heizen und genug lüften würde. Man gewöhnt sich ja immer schnell an Alles, sage ich nüchtern und betrachte den Schlauch an Wohnung. Immerhin gibt es eine Küche, immerhin passt ins Schlafzimmer ein Bett. Immerhin. Alles keine Selbstverständlichkeit, alles schon gesehen. Ich erzähle dem im Grunde recht netten Typ von der Wohnung mit Schlafzimmer, in der kein Bett der Welt gepasst hat. Wir schimpfen eine Weile über die allgemeine Wohnungsplage. Dann verabschiede ich mich und trete – durch eine doppelte Pressspantür - aus dem Kellerloch in den tatsächlichen Fahrradkeller. Ich stolpere die Treppe hoch und atme erst einmal durch.

Nach fünf Wohnungsbesichtigungen fühle ich mich als bräuchte ich erst einmal eine Woche Spa-Urlaub und Asthmaspray. Bisher hatte ich wohl einfach immer ziemliches Glück gehabt und schnell ein WG-Zimmer gefunden. Klar, ich bezahle gerade auch nicht gerade wenig für meine schicken zwei Zimmer in meiner 150qm Altbau-WG. Klar, ich bin verwöhnt, in jeder Hinsicht. Und dennoch sehe ich nicht ein, in eine Zweizimmer-Schimmelbude zu ziehen! Und das für 700€ Warm.

Wohnungsbesichtigung Nummer neun, ich bin fünf Minuten zu früh, die Wohnung ist wieder Paterre. Ein ganz schlechtes Omen. Das „zweite Zimmer“ welches ich soeben betreten habe, ist in Wirklichkeit eine kleine dunkle Küche. Kann man ja so oder so verstehen, gibt der Vermieter mir ein wenig kleinlaut zu verstehen. Im anderen Zimmer gibt es nicht mal ein Fenster. Kein Keller, kein Balkon, kein Garten, kein Bad mit Fenster. Ich sage freundlich, dass ich mich besprechen und dann wieder melden werde. Ich schätze jedoch mein leicht säuerliches Gesicht hat bereits allen Beteiligten klar gemacht, dass ich lieber zu meinen Eltern in den Garten ziehe, als in diese fensterlose Miniaturbude. Dennoch lasse ich mich breit schlagen, mir auch noch nen Ort für die Waschmaschinen zu zeigen. Eigentlich das Beste an der ganzen Wohnung! Denn so sehe ich wenigstens noch nen wahrscheinlich mehrere Jahrhundert alten Gewölbekeller. Interessant ist es schon, murmele ich, während der Vermieter mich leicht ungläubig an sieht.

Nach zehn Wohnungsbesichtungen bin ich nur noch frustriert. Bisher haben wir nur zwei Wohnungen überhaupt zugesagt und warten seit dem im Hold-Modus auf Resonanz der Vermieter. Insgeheim haben wir beide Wohnungen schon komplett eingerichtet, wieder ausgeräumt und umgestaltet. Theoretisch habe ich bereits den jeweils passenden Tisch bei Ebay Kleinanzeigen gekauft, praktisch habe ich jede Nacht von der Plage geträumt. Inzwischen halte ich alles für verhextes Schicksal und entweder für ein großes, sehr ungerechtes Unglück, für eine Bestrafung oder für schlechtes Karma. Natürlich ist das völlig überzogen und angesichts der Weltlage völlig unangebracht, aber so ist es nun mal. Ich verzweifle aus folgenden Gründen: der Tatsache, dass ich andauernd mit meiner Zukunft und den dazugehörigen sehr realen Ängsten konfrontiert bin. Dass ich andauernd beweisen muss, warum ich die Richtige für diese bescheuerte Wohnung sein soll. Was die „richtige“ Wohnung für mich ist. Wie ich mich präsentieren muss, um die „richtige“ Wohnung zu bekommen. Wann ich was wie weglassen und was ich wie wann erwähnen sollte. Was für Rechte und welche Pflichten ich habe wenn ich einziehen darf. Die ganze Abhängigkeitsscheisse eben. Wie viele Kompromisse ertragbar und wie viel Raum nötig ist. Wie viel Platz ausreicht. Dazu kommt, dass nicht nur ich entscheide, sondern wir. Wir sind ganz neu in diesem Metier. Aber, wir sind ja stark. Donnerstag um halb neun flattert dann ein Mietvertrag rein.  Einfach so, zack, hängt er als Attachment in der Mail. Ganz ohne Vorwarnung, ganz ohne Schnickschnack. Im Kopf waren wir längst wieder raus, wo anders, in Gedanken, bei Alternativen und im ständigen Such-Rausch.Nach zerissenen Gefühlen, ambivalenzen Tendenzen, einer Pro- und Kontra-Liste (ich hätte Niemals gedacht wie spießig ich geworden bin) und ein paar Pseudobesichtigungen haben wir zugesagt. Ohne das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben, aber mit dem Gefühl, keine Energie mehr für die Suche nach dem "Richtigen“ aufbringen zu können. Uns dem Wohnungsmarkt zu opfern, wie alle anderen auch. Im Rahmen der Möglichkeiten und so, dass unsere Ansprüche einer zentralen Wohnung erfüllt sind. Wenn also alles gut geht, haben wir also bald eine kleine gemeinsame Wohnung. Zwei Zimmer, Küche, Bad und ein kleiner Balkon. Genauso wie AnnenMayKantereit und ich es mir gewünscht hatten. Nur eben kein Altbau, nur eben Plattenbau. Grau und hässlich- jedenfalls von Außen betrachtet. Wir werden es liebevoll ‚die graue Platte’ nennen. Und wie gesagt, man gewöhnt sich ja an alles sehr schnell.
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Happy End der Story und (fast so) grün: unser 5qm2 Balkonien!
Eigentlich wollte ich den Eintrag längst posten, hab es aber vergessen, verdrängt oder mich vielleicht nicht getraut. Drei Monate später kann ich sagen: Die graue Platte (die ich nie mehr als solche - sondern höchstens als Bettonklotz oder Bunker - bezeichne) und ich sind gute Freunde geworden. Um uns herum ist inzwischen ein tropischer Regenwald gewachsen, auf dem Balkon luken die Tomaten inzwischen über die Ballustrade und Fangen (im Kreis!) kann man auch ganz wunderbar spielen.