Donnerstag, 25. Dezember 2014

vorweihnachtliche Besinnungslosigkeit!

Ein Phänomen was uns alle betrifft. 


Vorweihnachtliche Besinnungslosigkeit ist nicht gleich vorweihnachtliche Besinnungslosigkeit. Die Facetten sind ebenso glitzernd, schimmernd, viel- und undurchsichtig wie die hiesigen Weihnachtsmärkte, Konsumtempel und ja, sogar die ach so harmlosen Flohmärkte. Es gibt kein entkommen und die Gefahr auf dem 5m Weg zur Uni infiziert zu werden ist genauso groß wie das törichte Vorhaben "nur mal eben schnell etwas besorgen zu wollen". Ein kurzer Schlenker zu H&M (das SALE-Leuchten war einfach viel zu groß und schön!) und eine Besorgung bei Rossmann werden da schnell zu echten Gefahren für dünne vorweihnachtliche Geldbeutel, Konten und ökologisches Denken sowieso. Selbst ein Spaziergang führt immer über irgendeinen Weihnachtsmarkt, bei dem man immer kurz stehen bleiben und ein bis fünf Apfelglühwein trinken muss. Ist ja auch kalt, ist ja auch kein Problem schon wieder Geld heraus und Kalorien herein zu werfen. Außerdem sind da ja noch die ständigen Weihnachtsfeiern, Wichteln und naja, die absolute Besinnlichkeit, die vor allem bei so genannten Familienangelegenheiten zum Vorschein kommt. 

Ich sagte ja, vorweihnachtliche Besinnungslosigkeit ist nicht gleich vorweihnachtliche Besinnungslosigkeit. Denn am allerschlimmsten ist die Besinnungslosigkeit - vermutlich fernab von einer bevorstehenden Weihnacht - in der letzten Bahn von Frankfurt nach Marburg, freitags nachts um halb eins. Dieses Phänomen soll jedoch (später einmal) einen eigenen Post bekommen. 

Da das Schlimmste (damit) vermutlich überstanden ist: fröhlichste Weihnacht! 



Sonntag, 7. Dezember 2014

(m)ein Körper als ein Versuch die Menschheit zu verstehen


"Einmal, da habe ich mir quasi eine Rippe aus dem Knöchel geschnitten (oder mich mit einem bissigen Hai anlegt!). Ein anderes Mal fühlte ich meine Hand nicht mehr und seit vorgestern scheint sich auch noch das Gefühl in meinem Schienenbein verabschiedet zu haben..."

Dass ich ausgerechnet Körperpsychotherapie studiere, erscheint da erst einmal recht widersprüchlich. Immerhin scheine ich ein - sagen wir - ambivalentes Körper- (und Leib-) Verhältnis zu haben. Aber immerhin, ich scheine das inzwischen begriffen zu haben! Ich denke, inzwischen kenne ich mich so gut, dass ich weiß, dass auch der Körper mein ist. Ich wüsste, wenn ich friere, was zu tun ist. Ich wüsste, wenn mein Magen knurrt oder mir latent schlecht ist, was zu tun ist. Ich wüsste, wenn ein Körperteil kribbelt, was zu tun ist. Wenn es juckt, was zu tun ist. Ich wüsste es, tue es aber selten. Ich überlege mir theoretische Konstrukte - die meine kognitiven Fähigkeiten bei weitem überschreiten - zur Heilung meiner Kopfschmerzen. Ich schreibe Schmerzprotokolle und recherchiere nach den bestmöglichen Optionen, ich mache To-Do Listen, ich bastele eine symbolische Collage, ich schreibe einen Text darüber, entwickle ein komplettes Therapie-Konzept für Wochenend-Migräne, Cluster- und Spannungskopfschmerz. Für Prä- und Postmenstruelle Kopfschmerzen. Ich lege mich nicht aufs Bett, schließe nicht die Augen und ziehe auch nicht den Stecker. Ich möchte den Schmerz verstehen, statt ihn zum Gehen aufzufordern. Ich möchte, dass er für etwas gut ist. So wie ich am liebsten jedes Störungsbild mal probeweise für einen Abend austesten würde, nur damit ich mich besonders gut in jeden Menschen hinein versetzen könnte. Und dabei halte ich mich jetzt schon für eine Expertin für jegliche Störungsbilder. Ich denke wirklich, dass ich mich nur tief genug mit Krankheiten beschäftigen müsste, damit die Welt ein bisschen erklärbarer wird. So wie andere Menschen ihre Angst vor dem Unbekannten in Rassismus oder einer Zwangsstörung äußern, möchte ich alle verstehen lernen. Dazu zählt nicht nur was PTBS oder MD heißt, sondern auch zu wissen, wie sich Kopfschmerz und ein taubes Bein anfühlt. Es ist dabei nicht so, dass ich mir unbedingt wünschte, ein taubes Bein zu haben oder es vielleicht sogar absichtlich betäuben würde. Aber wenn es einmal da ist, springt in mir - nach einem kurzen Schreck - schnell ein Schalter um. Schon befinde ich mich im - sagen wir im kreativen - Forscher-Modus. Wie lange braucht eine klaffende Wunde zum Heilen? Wie viele Adjektive können Müdigkeit beschreiben? Wie fühlt es sich an, ein taubes Bein zu rasieren? Wie lange muss man kratzen bis es blutet? Wie visualisiert man Migräne? Wie beschreibt man Depressionen? Ich habe darauf jede Menge Antworten - die alle kaum etwas mit biologisch, chemischen oder physikalischen Faktoren zu tun haben. Denn alles, was mit den "tatsächlichen" Prozessen im Körper zu tun hat, finde ich abstoßend bis ekelhaft. Was aber auch einen gewissen Reiz hat. Als Kind blätterte ich immerhin ziemlich regelmäßig durch das zerfledderte Anatomie-Buch, dass ich nun wieder heraus gekramt habe. Oder sezierte meine Haare im Mikroskop. Auch heute schauert es mich etwas bei der Vorstellung der seltsam ekelhaften Strukturen, die angeblich meine Haaren gewesen sein sollen. Meine Angst ist dabei vermutlich auch, dass diese Vorgänge kaum mehr kontrollierbar scheinen. Ich habe Angst, dass ich meinen Einfluss nicht an Mitochondrien testen könnte, dass sie nicht auf mich reagieren und mich im Regen stehen lassen, wenn ich sie bitte irgendwas für mich zu tun. Da fängt aber auch schon das wirkliche Problem an, denn ich habe keine Ahnung was sie für mich tun könnten. Ich habe keine Ahnung ob sie bei Prozessen wie Migräne und Neurodermitis beteiligt sind. Natürlich, ich kann sie googlen, kann lernen, dass sie "die Kraftwerke“ der Zellen bezeichnet werden und dass ohne sie so ziemlich nichts passiert. Aber ich verstehe das nicht. Sie sind mir viel zu unsichtbar. Ich weiß sehr wohl um den Zusammenhang zwischen anatomischen und psychischem Körper, aber ich kann ihn nicht spüren. Ich spüre meine kalten Hände, meinen bewölkten Kopf und meine Füße fest auf dem Boden, aber ich will nicht wissen welches Mitochondrium dafür verantwortlich ist. Ich finde es viel interessanter wo her der Körper kommt und was er erlebt hat, den jeder Körper kann Geschichten erzählen. Von klaffenden Wunden bis Perlenohrringen, alles scheint irgendwie wichtiger als der Aufbau einer Zelle. Ich weiß, dass ich damit unrecht habe, aber ich spüre, dass es mir egal ist. Und es ist nicht so als würde ich nichts spüren! Im Gegenteil, ich bin äußerst sensibel wenn es um mich - meinen Körper - geht. Ich leide viel, ich rede und schreibe viel darüber (merkt man kaum!). Ich merke wenn man mir - meinem Körper- auf die Pelle rückt, merke, wenn ich mich - meinen Körper - nicht leiden kann, wenn ich in den Spiegel gucke und mich - meinen Körper - am liebsten gegen ein nicht jammerndes Kamel tauschen würde. Ich merke, dass es gut tut, mehr in den Füßen zu spüren, als in bewölkten Kopfregionen zu wandern, spüre, dass es heilsam ist zu essen und zu schlafen wenn ich es brauche. Dass es heilsam ist, meinen Körper auch mal loszulassen, ihn weniger als Forschungsinstrument zu nutzen, ihn mehr zu schätzen und lieben zu lernen. Das "verstehen" nicht "erlebt haben" heißt, weiß ich. Auch, dass ich nicht alles - dass ich nicht jeden - verstehen kann. Trotzdem bin ich immer wieder überrascht, wenn genau das passiert. Wenn ich plötzlich und völlig unvorbereitet am Ende meines nicht vorhandenen Lateins bin und mir keinen Reim darauf machen kann, wie sich eine Person fühlt. Was sie spürt, wie es sich anfühlt. Dass ich nichts dazu sagen und nichts dagegen tun kann. Keinen Rat geben, keine Sorgen teilen kann. Nicht mal mehr eine extrastarke Ibu reichen kann. Und weil dieses Gefühl für mich so schrecklich unerträglich ist, fange ich überdramatisch an, von meinen vermutlich ziemlich harmlosen Körperstörungen zu erzählen. 

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Text als therapeutische Maßnahme dieser Woche.