Zwar tickt sie nicht, trotzdem bringt sie mich alle fünfzehn Minuten zum
quasi explodieren. Mein Arm wird blau, alle Adern quellen heraus, ich krümme
mein Gesicht Schmerz verzogen. Das Blut steht still, will weiter, darf nicht. Dass
es möglich sei diesen Spaß weniger qualvoll zu ertragen, sagten sie mir erst dann als ich bereits erleichtert die Kabel gelöst hatte. Als ich nicht mehr angsterfüllt auf
einen zerquetschten Arm und ein rasendes Herz warten musste. Ob jetzt also das Blut schneller fließt als unter normalen
Lebensqualen, weil ich vierundzwanzig Stunden unter Zerquetschungsangst litt, kann ich nur mutmaßen.
Kann nur versuchen die Mechanismen meines Körpers auf brummende Monster zu
verstehen. Am Ende scheitere ich.
- Das Brummen lässt einen keinen klaren
Gedankenweg beenden. Das Brummen verhindert Körpersprache und Pflege. Es
verhindert beinahe dass ich mich vor die Tür traue. Dann entscheide ich mich
aber doch dafür. Entscheide mich für die Terroristen-Variante; alles schön
versteckt, das Kabel geschickt um den Bauch gewunden, die Bombe an einem Gürtel
eng am Bauch. Als ich im Seminar sitze wünschte ich genau in der Sekunde als
sie zu brummen beginnt, ich würde hochgehen und niemand würde sich daran
erinnern neben einer Siebzigjährigen im Körper einer vierundzwanzig Jährigen zu sitzen, deren Leben bereits am
seidenen Faden hängt. Die Fremden starren mich stattdessen irritiert an und
fragen mich ob ich vergessen haben sollte meinen Vibrator auszuschalten. Ich
verneine und deute auf meine Verkabelung. Die Gesichter nicken verdächtig
verständnisvoll und erinnern sich gleich daraufhin an ihre Groß- und Urgroßeltern. Ich
wünschte nun es wäre ein Vibrator, während das Brummen kurzfristig abbricht und mich für die nächsten
fünfzehn Minuten kurz aufatmen lässt. Genau in dieser Zeitspanne passieren alle Züge und LKWs, die Glocken läuten und Menschen schnattern fröhlich vor sich hin. Fünfzehn Minuten später setzt das Brummen dann wieder ein, als
sich die Dozentin nervös durch die Haare fährt und ihren Faden sucht. Es ist totenstill. Ich
versuche verschiedene Methoden die von Ignoranz, über rotes Anlaufen bis hin zu
ebenfalls irritiertem Umdrehen reichen. Am Ende siegt immer das Monster.
Meinem Arm versuche ich gut zu zureden, nach über zehn Stunden
Inkognito-Terrorist befürchte ich, dass er entweder jeden Moment abfällt oder
einfach einschläft und nicht mehr aufwacht. Ich weiß nicht was ich schlimmer
finden soll und wieder, als ich gerade kurz vor einer Entscheidung stehe,
bringt mich das Brummen aus dem Konzept.
- Am Ende
explodiert sie nicht. Am Ende haben wir überlebt. Mein Arm kann weiter auf
Tasten hauen, mein Herz darf weiterschlagen und auch das Blut scheint wieder normal
unkoordiniert und in überschneller Geschwindigkeit zu fließen. Auch wenn niemand weiß wie lange noch, wenn man eine tickende Zeitbombe im übervollen Seminar trägt verändert sich jegliches Gefühl von Zeit. Jede Sekunde wird zu einem Jahr, jeder sonst so dahin fliegende Tag zu einer echten Contenanceprobe.